Es gibt gute Gründe dafür, Workloads in ein kleines Edge-Rechenzentrum zu verlagern: Echtzeitanwendungen tolerieren keine Latenz und datenintensive Analysen können schnell das Nutzererlebnis beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass Unternehmen sensible Daten lieber vor Ort und nicht in der Cloud halten. Aber ist Edge Computing für den Mittelstand relevant?
Edge Computing wurde für das Internet der Dinge (IoT) konzipiert und stellt IT-Ressourcen, die für schnelle Rechenleistung oder Speicherkapazität sorgen, nah an Datenquellen, wie zum Beispiel Sensoren oder Endgeräte. Ob es Steuerungseinheiten sind, die via Internet Verbindung zu einer Cloud-Plattform haben oder kleine Rechenzentren auf einem Campus.
Vorteile einer Edge Computing Lösung
Edge Computing ermöglicht schnellere Reaktionszeiten im Vergleich zu einer Anbindung an ein zentrales Rechenzentrum und reduziert durch die lokale Datenverarbeitung das Datenvolumen, wenn es in der Cloud benötigt wird. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nutzen die Rechenkapazitäten vor Ort oft als eigenständige Nodes ihrer Firmen-IT und umgehen so langsame Internetverbindungen oder nicht ausreichende Bandbreiten, die schnelle Datenverarbeitung ausbremsen und deshalb einen Wettbewerbsnachteil bedeuten.
Ein weiterer Vorteil von Edge Computing ist, dass Unternehmen sowohl die Hoheit als auch die Kontrolle über alle Daten zu jeder Zeit behalten: Sowohl über die lokalen Daten, als auch diejenigen, die in der Cloud landen. Diese Hoheit schützt Personendaten und geschäftskritische Informationen grundsätzlich aber vor allem dann, wenn der US CLOUD Act greift. US-Behörden können die Offenlegung von Daten selbst dann verlangen, wenn dies gegen die Rechtsordnung, wie zum Beispiel die in der EU geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), im Land der Verarbeitung verstösst. Somit sind seit dem Wegfall der sogenannten ‚Privacy Shield‘ alle US-amerikanischen Anbieter von Cloud-Plattformen laut dem US CLOUD Act dazu verpflichtet, alle Daten ihrer Nutzer auf Verlangen an US-Bundesbehörden herauszugeben. Dies trifft sowohl auf Personen als auch auf das Unternehmen bezogene Daten zu und gilt selbst dann, wenn diese Daten in einem Rechenzentrum innerhalb der EU liegen.
Edge als Teil einer hybriden Cloud-Umgebung
Eine Edge-Infrastruktur ist heute mit wenigen Ausnahmen als private Cloud ausgelegt. Auf diese Weise lassen sich lokale Installationen einfacher in eine zentrale Cloud-Umgebung einbinden und gemeinsam über eine einheitliche Management-Oberfläche verwalten. Außerdem erlaubt die Verbindung zur Cloud auch Zugriff auf einen übergeordneten Datenpool und ermöglicht zum Beispiel Big-Data-Analysen oder Machine Learning gestützte Anwendungen. Die Anbieter von Cloud-Management-Lösungen erweitern ihre Software mittlerweile durchgängig für hybride und Multi-Cloud-Umgebungen. Erfreulicherweise hält sich auch der Administrationsaufwand in Grenzen, denn die meisten Managment-Plattformen sind, bei aller Komplexität im Hintergrund, inzwischen recht anwenderfreundlich und einfach zu bedienen.
Edge Computing hat viele Gesichter
Edge Computing hat mittlerweile viele Ausprägungen und stellt unterschiedliche Anforderungen an die Systeme. Jenseits der oft zitierten Beispiele, wie Fertigung und autonomes Fahren, treibt Edge Computing die digitale Transformation voran. Edge Computing kann in vielfältige Unternehmensprozesse eingebunden werden und diese nicht nur effizienter sondern auch sicherer gestalten. Schauen wir uns ein paar Beispiele an:
- Mehr Sicherheit an entlegenen oder gefährlichen Standorten
Teilelager oder Baustellen an entlegenen Standorten benötigen aus unterschiedlichen Gründen Schutz vor unberechtigtem Zutritt. Sei es der Schutz vor Diebstahl von Lagerware oder die Zutrittsregelung für eine potenziell gefährliche Baustelle. Um vor Ort kein Personal zu binden, verfügen solche Standorte oft über eine per Edge Computing realisierte Kameraüberwachung mit autonomem Zutrittskontrollsystem, das dann mit einer zentralen Pforte kommuniziert.Im industriellen Umfeld kommen häufig Sicherheitsfunktionen für gefährliche Standorte zum Einsatz. Das können zum Beispiel Notfallschalter für das Personal sein oder eine Analyse von Bewegungsprofilen im Umfeld einer Gefahrenzone. Sogar das Tragen von Schutzausrüstung kann Edge Computing automatisch überprüfen. Bei erkannter Gefahr gibt die Software umgehend eine regelbasierte Alarmmeldung aus, sodass geeignete Schritte eingeleitet werden können bevor etwas passiert oder Menschen zu Schaden kommen. Auch der Datenschutz bleibt gewahrt, denn solche Daten werden größtenteils sofort wieder gelöscht. - Zunehmende Digitalisierung in Filialen
In Filialen von Handelshäusern oder Restaurantketten bindet Edge Computing meist mehrere Rechner, Kassensysteme und andere Endgeräte in das Firmennetz ein. Die Kundendaten sind vor Ort und garantieren aufgrund ihrer lokalen Verfügbarkeit ein positives Kundenerlebnis. Denn dank Edge Computing kann das Marketing über Bluetooth und WLAN direkt mit Passanten und Besuchern kommunizieren.Banken bekommen mit Edge Computing die Möglichkeit, im Selfservice-Bereich Gesichtserkennungstechnologien und virtuelle Kundenberater einzusetzen ohne mit dem Datenschutz in Konflikt zu geraten. Durch die Datenverarbeitung vor Ort gewährleistet Edge Computing schnelle Reaktionszeiten und hilft Online-banking Fans Besuche in einer Filiale, nebst der dort anfallenden Papierberge, weiter zu reduzieren. - Effizienteres Inventar- und Patienten-Management in Kliniken
Das Medical Internet of Things in einer privaten Edge-Cloud vereinfacht in Kliniken die Verwaltung und Lokalisierung des Inventars sowie das Patienten-Management. Die Einhaltung der DSGVO und der besondere Schutz der Patientendaten genießt bei diesen Anwendungen höchste Priorität. Wie so oft geht es auch in der Medizin nicht um die Frage Edge Computing oder Cloud sondern auf Datenverwaltungsstrategien. Diese bestimmen, wo Cloud- und wo Edge Computing strategisch sinnvoll und basierend auf Anforderungen, Kosten und Nutzen einzusetzen ist. Dank einer wachsenden Anzahl von Medizinprodukten produziert ein durchschnittliches Krankenhaus inzwischen über 50 Petabyte an Daten pro Jahr. Deshalb ist das Edge-Rechenzentrum hier besonders wichtig, um den klinischen und betrieblichen Nutzen zu optimieren. Die Anbindung an eine Cloud-Plattform wiederum ermöglicht KI-gestützte Analysen und durch die Vernetzung mit anderen Institutionen entstehen weitere wichtige Synergien und finanzielle Vorteile.
Systemanforderungen
Eine entscheidende Rolle spielt bei allen Edge-Computing-Lösungen, dass sie vor Ort weitgehend autark laufen und zentral administriert werden. Wie jede andere Infrastrukturlösung auch müssen Edge Geräte für die entsprechenden Umgebungsbedingungen geeignet sein. Desweiteren stehen auf der Liste Anforderungs-Adjektive wie kompakt, ausfallsicher, vor Hacker-Angriffen und unbefugtem Zugriff geschützt. Selbstverständlich sollte jede neue Edge-Computing-Lösung skalierbar sein und sich schnell an neue Anforderungen und Applikationen anpassen können.
Patricia Hillebrand
International Channel Manager, RNT Rausch GmbH
Andere Nutzer haben auch folgende Artikel gelesen
Yowie® hat etwas…
Yowie® hat etwas das andere Appliances nicht haben. Ein Blick hinter die…
High Performance Computing im Fahrzeugbau
Simulationen sind in der Fahrzeugtechnik ein zentraler Baustein für…
Modern Work 2: Kein Netz, und nun?
Was macht ein Filmteam, wenn es am Drehort keinen oder unzureichenden…
Server Cluster – die Zukunft der IT?
Wer würde hier widersprechen: Volle Power und eine zuverlässige…
Big Data Management im Mittelstand
Was für Großunternehmen mit umfassenden Datensammlungen aus Artificial…
MACH.2 Multi-Actuator Festplatten – Fast so schnell wie SSDs, aber viel preiswerter
Sie gelten als die schnellsten Festplatten der Welt, weil sie fast die…